Die langsame Entstehungsgeschichte einer Schale
Am Anfang war das Gestein.
über Millionen von Jahren entstand durch Zersetzung und Verwitterung von feldspathaltigem Gesteinen, die den überwiegenden Teil unserer Erdoberfläche bilden, der Ton.
Was ein Töpfer am notwendigsten braucht ist guter Ton, beim Holzbrand geht es zudem um eine gute Annahme des Flamenspiels und des Ascheanflugs.
Ich verwende Steinzeug Ton , Porzellane aus dem Westerwald und aus Frankreich, die einer Brenntemperatur von 1300°C standhalten müssen. Dadurch erlangen sie Dichtigkeit und die erwünschte Härte.
Der Ton lagert frostsicher im tiefen Keller meiner Scheune. Bevor ich anfange an der Scheibe zu drehen knete ich den Ton spiralförmig, was sehr wichtig ist, so lange, bis keine Lufteinschlüsse mehr vorhanden sind, und eine homogene Masse entsteht.
Das Kneten und Vorbereiten des Tones ist auch für mich ein Vorbereiten auf das Drehen, ich mache mich frei von allen störenden Gedanken und lasse diese gehen.
Beim Drehen der Schale achte ich sehr darauf, dass sie sich gut in die Hände einfügt, der Rand so ist, dass die Lippen gerne daraus trinken. Am Boden entsteht durch eine kleine Bewegung eine Spirale, Drehrillen bleiben sichtbar zurück. Daraus entstehen Berge und täler und ein Ozean. Stille und Einfachheit möchte ich der Schale geben.
Die Schale stelle ich auf ein Brett vor mir zu den anderen, immer wieder prüfe ich, schaue hin, sortiere aus, noch ist es machbar neue Entscheidungen zu treffen, den Ton wieder von neuem zu kneten und zu formen.
Am darauffolgendem Tag ist die Schale soweit getrocknet, dass ich sie abdrehen kann. Langsam arbeite ich den Fuß aus – bei einer Schale extrem wichtig, ist er doch verantwortlich, dass die Schale gut steht, für das Auge harmonisch ist und sich gut anfassen lässt.
Manche Schalen bekommen eine Glasur vor dem Brand, andere sind unglasiert, werden so wie sie sind dem Feuer überlassen.
Wieder nehme ich die Schale in die Hand, dieses mal um sie in den Ofen zu setzen – mit weiteren 100 Stücken-
Zuvor jedoch sind noch viele Arbeiten nötig.
Die Ofenplatten müssen abgeschliffen und mit Trennmittel bestrichen werden. „ Böbbelesmasse“ auf denen die Töpfe gestellt werden, wird vorbereitet, Segerkegel zur Temperaturkontrolle müssen auf Tonplatten aufgestellt werden.
Zum Setzen der 1. Kammer benötige ich zwei bis drei Tage, für die 2. Kammer, der Salzkammer, einen Tag.
Die Schale setzte ich in die 1. Kammer, die Anagamakammer, in der der Ascheanflug senkrecht durch den Ofen wirbelt und die Oberfläche der Töpfe zeichnet.
Ich stelle mir beim Setzen das Feuer vor, als wäre es wasser, das um die Gefäße fließt. Die Erfahrung hilft dabei den richtigen Platz zu finden.
In die drei Stapelreihen setze ich passende Formen, ganz vorne stabile größere Gefäße, die die Feuersbrunst voll abbekommen, in der zweiten Reihe, Porzellane und Shino-glasierte Schalen und Teekeramik, nach hinten kommen Schüssel und Krüge oder auch Keramikskulpturen.
Jetzt ist der Ofen gesetzt, Müdigkeit und Erschöpfung macht sich breit, aber da gibt es noch zu tun bevor der Brand losgehen kann.
Stein für Stein wird die Tür zugemauert bis auf die öffnungen durch die das Holz in das Ofeninnere hineingeschoben wird.
Dann – endlich – der Brand
Tage, Nächte mit dem Feuer eins sein, der Rhythmus des Holznachlegens bestimmt das Leben.
Alle Sinne sind wach und konzentriert.
Die Auswahl der verschiedenen Hölzer, die den Temperaturanstieg und den Ascheanflug bestimmen, die Farbe der Flamme, die von rot- glühend bis zur Weißglut reicht und damit die Hitzegrade sichtbar macht, was von sehr großer Bedeutung ist.
Brummende, prasselnde aufsteigende Geräusche, die vom Holzauflegen laut hörbar sind – absteigend, leise werden und auf Holznachschub wartend.
Immer gilt es den Kamin zu beobachten, der rauch, Stunden später auch die austretenden Flammen ( der „Fuchs“) spiegeln das Innere der Ofenatmosphäre wieder.
Der 86 –90 Stunden dauernde Brand, bei dem durchgehend alle fünf Minuten Holz nachgelegt wird, erfordert mehrere menschen, die mit zuverlässiger Ausdauer dazu beitragen, dass der Weg
Von Millionen von Jahren
entwickelter Ton
ausgesucht
aufbereitet
geformt
entschieden
getrocknet
gesetzt
dem Feuer übergeben
zu einer Schale wird..................
„Als ich sie sah,
stockte mir das Herz:
eine gute Teeschale, ja,
aber wie gewöhnlich!
So einfach,
dass man sich
einen gewöhnlicheren Gegenstand
nicht vorstellen kann.“
(Soetsu Yanagi – Die Schönheit der Einfachen Dinge)
...............Nach einer Woche Abkühlzeit wird die Türmauer wieder aufgebrochen, bei jedem entfernten Stein wächst die Spannung, was der Ofen beschert,
noch sind die Gefäße warm, von einer Staubschicht überzogen, erst nach dem Waschen, Schleifen, zeigen sie sich in ihrer ganzen Schönheit.
Dankbarkeit und Freude machen sich breit in meinem Herzen.